Woher kommt Motivation? Was ist eigentlich Motivation? Mit den nachfolgenden Beispielen möchte ich einen ganz pragmatischen Einblick in mögliche Antworten bieten, die beschreiben, welche Wirkung bestimmte Formen der Motivation auf Arbeitsergebnisse haben können.
Grundsätzlich gibt es unterschiedliche Formen der Motivation. Wir unterscheiden, in der Betrachtung oder wenn wir über Motivation reden, typischerweise zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Intrinsische Motivation beruht auf persönlichen und sehr individuellen Motiven. Die Motivation kommt also aus dem ‚Inneren‘ der Person selbst. Extrinsische Motivation wird von ‚außen‘, in Unternehmen häufig durch die Führungskräfte und beispielsweise in Form von Boni oder Incentives, als Mittel der Wahl zur Motivationsverstärkung eingebracht, um gesetzte Ziele zu erreichen. Der Ursprungspunkt der Motivation liegt somit außerhalb der Person selbst.
Keine Sorge, ich schreibe keinen dieser ‚Jetzt klatschen wir alle in die Hände, drehen uns im Kreis und atmen tief durch‘-Artikel. Es wird auch kein ‚So motivierst Du richtig!‘-Artikel. Dieser Beitrag fokussiert die extrinsische Motivation und die potenziellen Auswirkungen der von ‚außen‘ zugeführten Motivatoren auf Menschen. Auch bietet er ein paar Einblicke und Hintergründe hinsichtlich der Wirkung externer Motivation. Diese Zeilen zeigen Aspekte der intrinsischen und extrinsischen Motivation auf, die die Wissenschaft schon lange kennt. Sie zeigen allerdings auch, was Organisationen und Führungskräfte in diesen Organisationen – teilweise – bereits ebenso lange ignorieren oder zumindest nicht nutzen.
Die Anregung für diesen Artikel liefert ein sehr inspirierender Vortrag von Daniel Pink. Einige der Gedanken aus diesem Vortrag möchte ich im Folgenden aufgreifen.
Ich möchte mit einem Zitat aus seinem Vortrag beginnen: „Economists at LSE looked at 51 studies of pay-for-performance plans, inside of companies. Here’s what they said: ‚We find that financial incentives can result in a negative impact on overall performance. ‘ There is a mismatch between what science knows and what business does. “
Warum das so ist? Gute Frage. Manchmal wissen wir es einfach nicht besser. Manchmal haben wir es nicht anders beigebracht bekommen. Die Zahl der Führungskräfte, die umfassend hinsichtlich der auf sie zukommenden Führungsarbeit ausgebildet wurden, ist leider auch heute noch sehr überschaubar. Manchmal fehlen relevantes Wissen, notwendige Hintergründe oder kleine Einblicke, um sich selbst in der Rolle als Führungskraft hinterfragen und reflektieren zu können.
Ich möchte Sie einladen, die nachfolgenden Beispiele als Möglichkeit zu nutzen, Ihr Wissen, Ihr Denken und Ihr Handeln zu hinterfragen. Jeder für sich und ganz individuell.
Karl Duncker, ein deutscher Psychologe und Mitbegründer der Gestalttheorie, entwickelte in den 1930 Jahren das sogenannte ‚Kerzenexperiment‘. Das Experiment gestaltet sich so: Vor der Versuchsperson liegen eine Kerze, eine Schachtel mit Heftzwecken und eine Packung Streichhölzer auf einem Tisch. Die Aufgabe besteht darin, die Kerze so an der Wand zu befestigen, dass kein Wachs auf den Tisch tropft. Wie würden Sie die Aufgabe lösen? Was würden Sie tun?
Manche Teilnehmer versuchten, die Kerze direkt mit den Heftzwecken an die Wand zu pinnen – das funktioniert nicht. Andere versuchten, mit einem brennenden Streichholz die Unterseite der Kerze zu erhitzen und sie dann mit dem flüssigen Wachs an der Wand zu befestigen – funktioniert nicht.
Die Lösung besteht darin, die Heftzwecken aus der Schachtel zu kippen, die Schachtel mit den Heftzwecken an der Wand zu befestigen und dann die Kerze hineinzustellen. Eigentlich recht einfach, oder? Wo liegt die Herausforderung in diesem Versuch? Die Herausforderung liegt darin, dass diese Lösung die Erbringung einer kognitiven Leistung der Teilnehmer erfordert. Die Herausforderung ist, die Schachtel mit den Heftzwecken eben nicht als das wahrzunehmen, was sie momentan ist – eine Aufbewahrungsmöglichkeit für Heftzwecken. Diese Lösung erfordert es, die ‚funktionale Gebundenheit‘ aufzugeben und die Schachtel als etwas zu sehen, was sie außer dem Offensichtlichen auch noch sein kann. Die Lösung der Aufgabe erfordert Kreativität.
Karl Duncker wollte mit diesem Experiment den Begriff der ‚funktionalen Gebundenheit‘ bei der Lösung von Problemen verdeutlichen. Die Bedeutung der funktionalen Gebundenheit im Rahmen einer Aufgabenstellung liegt darin, dass ohne das Erkennen der Fixierung – in diesem Fall die Funktion der Schachtel als Aufbewahrungsmöglichkeit für Heftzwecken – eine für die Lösung der Aufgabe notwendige Veränderung der Sichtweise erheblich erschwert wird.
Die Möglichkeit zur Problemlösung resultiert daraus, die gegebene Funktion des Elements zu erkennen und sie für die Lösungsfindung, falls nötig, zu verändern; also die eigene funktionale Gebundenheit hinsichtlich der aktuellen Funktion der Schachtel zu überwinden und somit den geistigen Weg zur Lösung frei zu machen. Was hat dieser Versuch jetzt mit Motivation zu tun?
In den 1960er Jahren veränderte Sam Glucksberg den Versuch, indem er zwei Versuchsgruppen bildete. Die eine Gruppe wurde dafür bezahlt, die Lösung schnell zu finden, die anderen nicht. Das Ergebnis war erstaunlich. Die Gruppe, welche dafür bezahlt wurde, war deutlich langsamer. Aber wie kann das sein? Sind wir doch aus vielen Organisationen gewohnt nach dem Motto zu agieren: Finanzielle Anreize führen zu mehr Arbeitsleistung.
Die Antwort auf die Frage, warum die Gruppe mit Bezahlung langsamer war, liefert eine zweite Variante des Versuchs. In dieser Variante sieht der Versuchsaufbau leicht anders aus, die Fragestellung ist identisch.
Auf dem Tisch liegen diesmal eine Kerze, eine Packung Streichhölzer, eine leere Schachtel und die Heftzwecken. In diesem Szenario war diesmal die erste Gruppe, die für die Lösung bezahlt wurde, etwas schneller. Woher kommt also das unerwartete Ergebnis bei der ersten Variante? Liegt es daran, dass nur unkreative Menschen an den Versuchen teilgenommen haben? Nein. Die Ergebnisse sind über eine Vielzahl an Versuchen während der letzten 40 bis 50 Jahre konstant. Liegt das Problem in der Komplexität der Aufgabe? Ebenfalls nein. Kerze, Streichhölzer, Schachtel mit Heftzwecken, eine Wand – wie komplex ist das schon?
Der Grund für dieses irritierende Ergebnis, dass die Gruppe ohne Bezahlung schneller die Lösung findet, liegt in der Kombination aus der kreativen Natur der Aufgabe und der Motivation von außen, also dem Versuch der extrinsischen Motivation, zur Unterstützung der Problemlösung. Diese Form der extrinsischen Motivation oder Incentivierung reduziert die Fähigkeit zur kreativen Lösungsfindung der Teilnehmer. Die extrinsische Motivation schränkt in diesem Fall das individuelle Potenzial der Teilnehmer zur Veränderung ihrer Sichtweise ein. Das ist es, was uns die oben aufgeführten Versuche an dieser Stelle zeigen.
Die Aufgabenstellung des Kerzenexperiments ist sehr nahe an den Aufgaben, die Mitarbeiter in heutigen Unternehmen in steigendem Umfang erbringen sollen. Und unser Fehler liegt darin, dass wir zu häufig glauben, die Motivation zur Erledigung dieser Art von lösungsorientierten Aufgabenstellungen – also der Aufgaben, die ein gewisses Maß an kognitiver Arbeit, an Kreativität und Wissenstransfer erfordern – lediglich durch extrinsische Motivation fördern zu können.
Wir benötigen eine Balance zwischen der intrinsischen Motivation der Mitarbeiter und der extrinsischen Motivation durch Methoden der Führungskräfte und Mittel der Organisationen, wie Gehalt, Boni oder im Extremfall die reine Vermeidung von unangenehmen Konsequenzen. Die intrinsische Motivation zu fördern bedingt, sich in der Führungsarbeit auf die einzelnen Mitarbeiter einzustellen. Führungskräfte müssen erkennen, welche Motivatoren die höchste Priorität für Mitarbeiter besitzen und sich in ihrer Führungsarbeit damit auseinandersetzen. Die Führungsaufgabe bezieht sich also auf einen Ausgleich zwischen dem, was an extrinsischer Motivation in die Arbeit eingebracht wird und was an intrinsischer Motivation bei einem Mitarbeiter vorhanden ist. Erhöht sich der Anteil an extrinsischer Motivation einseitig, reduziert das die intrinsische Motivation.
Der erlebte Impuls der Motivation wird in diesem Moment von ‚innen‘ nach ‚außen‘ verlagert. Extrinsische Motivation kann also einen negativen Einfluss auf Arbeitsergebnisse haben, die kognitive Leistungen von Mitarbeitern erfordern. Zusätzlich nimmt die tatsächliche Motivation durch diese externen Maßnahmen im Laufe der Zeit rapide ab. Sie muss regelmäßig erneuert werden, um wirksam zu sein – im Gegensatz zur intrinsischen Motivation.
Fachliche und persönliche Weiterentwicklung haben einen signifikanten Stellenwert in der Wertehierarchie von Mitarbeitern. In der persönlichen Weiterentwicklung liegt eine Quelle der intrinsischen Motivation. Die Fähigkeiten, individuelle Weiterentwicklung zu fördern, als Führungskraft aktiven Einfluss auf die Förderung der intrinsischen Motivation zu nehmen, sind maßgeblich für den Erhalt der Motivation bei Mitarbeitern und in Teams. Ein Element in der Förderung der individuellen Weiterentwicklung ist es, den Sinn der zu erfüllenden Aufgaben und die Erwartungshaltung an die Mitarbeiter klar und transparent vermitteln zu können.
Mitarbeiter, die den Sinn ihrer Aufgaben erkennen und ihren Teil zur Lösung dieser Aufgaben verstehen, sind deutlich motivierter und befähigter ‚Kopfarbeit‘ zu leisten. Dies liegt unter anderem daran, dass sie sich mit der Aufgabenstellung identifizieren können. Sie können ihren Beitrag erfassen und erkennen gleichzeitig, in welchen Bereichen sie Entwicklungsmöglichkeiten oder Entwicklungsbedarf haben. Kein Mensch – Achtung: Mitarbeiter sind Menschen! – möchte auf der Stelle treten. Das Bild einer Tretmühle wird an dieser Stelle – zu Recht – sehr häufig verwendet. Wer von uns steckt schon gerne tagaus, tagein in einer Tretmühle fest? In der Frage nach dem Potenzial der Mitarbeiter und der Förderung dieses Potenzials, ausgerichtet auf gemeinsam vereinbarte Ziele, liegt der Hebel hinsichtlich der Motivation der Mitarbeiter und einer hohen Qualität in den Arbeitsergebnissen.
Im 19. und 20. Jahrhundert funktionierten rein extrinsische Motivationsmethoden meist noch sehr gut. Die an Mitarbeiter gestellten Anforderungen waren damals aber großteils anderer Natur. Es ging häufig um die Ausführung gleichartiger, meist handwerklicher Aufgaben. Produktionsabläufe in der Industrie und in Unternehmen wurden häufig hinsichtlich der Produktion größtmöglicher Quantität aufgebaut. Die Ausrichtung der Tätigkeiten, der Strukturen und Arbeitsprozesse basierte auf Arbeitsteilung und Spezialisierung. Arbeitsschritte wurden granularer und die Aufgaben fokussierten ein spezielles Arbeitsergebnis, damit im Zusammenspiel dieser einzelnen Arbeitsschritte ein möglichst hoher Output generiert wird. Geht es um die Erbringung von handwerklichen Fähigkeiten und daraus resultierenden quantitativen Ergebnissen, erhöhen Boni und Incentives die Leistung. Das hat sich im Zeitalter der Industrialisierung deutlich gezeigt. Quantität und Effizienz durch eine extrem arbeitsteilige Produktion waren der Schlüssel zum Erfolg in der Zeit von Massenproduktion während dieser Zeit. Im gleichen Zeitraum begann allerdings auch die Diskussion um sinkende Motivation und Unzufriedenheit der Mitarbeiter, gemeinsam mit den daraus resultierenden negativen Auswirkungen auf die Organisationen. Eine Managementtheorie folgte auf die nächste, alle mit dem gleichen Ziel – langfristig erfolgreiche Unternehmen und eine hohe Effizienz in den Arbeitsergebnissen sicherzustellen.
Schauen wir jedoch auf heute. Welche Aufgaben haben unsere Teams und Mitarbeiter zu erfüllen? Liegt der Fokus mehr auf Quantität oder auf Qualität? Liegt der Fokus mehr auf der kontinuierlich zu erbringenden Erledigung von identischen handwerklichen Aufgaben oder auf Wissenstransfer, Kommunikation und der Entwicklung von Lösungen und Ideen? Was würden Sie sagen? Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus? Wie sieht der Arbeitsalltag Ihrer Mitarbeiter aus?
Wenn Unternehmen versuchen, ausschließlich mit Methoden passend zu Aufgaben aus dem 19. und 20. Jahrhundert ihre heutigen Mitarbeiter, beschäftigt mit der Lösung von Aufgaben des 21. Jahrhunderts, zu motivieren, erfüllen sie nicht die Anforderungen, die Mitarbeiter an Unternehmen stellen. Sie fördern damit auch nicht das Potenzial, das in den Teams und den einzelnen Mitarbeitern steckt. Anschließend wundern sich Führungskräfte, warum es an Motivation mangelt, die Qualität der Arbeitsergebnisse nachlässt, Krankenstände in die Höhe klettern und gleichzeitig meist auch Fluktuationsraten steigen! Aber das ist ein anderes Thema und würde an dieser Stelle zu weit führen.
Besser wäre es zu überlegen, was Mitarbeiter dazu motiviert, die heutigen Aufgabenstellungen kreativ und eigenverantwortlich zu lösen. Oder noch besser: wie wir diese Motivation erhalten und fördern können. Hierfür müssen Führungskräfte die intrinsische Motivation stärker in den Fokus der Führungsaufgaben nehmen.
Unsere Mitarbeiter, Mitarbeiter in einer Wissens- und Informationsgesellschaft, die weit häufiger mit ‚Kopfarbeit‘ befasst sind, lassen sich nicht ausschließlich mit extrinsischer Motivation zu ‚Top-Performern‘ machen. Hier benötigen wir mehr Balance zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation, um kreative Lösungen und Ideen zu generieren. Wissenstransfer und Kollaboration sind in ihrer Relevanz für ein erfolgreiches modernes Unternehmen extrem angestiegen. Moderne Unternehmen brauchen eine effektive Zusammenarbeit zwischen Teams und Abteilungen, um Qualität und kreative Lösungen zu erzeugen. Effizienz ist heute natürlich genauso wichtig wie im 20. Jahrhundert. Aber welcher Mitarbeiter, der bei dem, was er tut, nicht motiviert ist, ist dabei effizient?
Welche Schlüsse können wir daraus ziehen?
- Boni und finanzielle Anreize funktionieren bis zu einem gewissen Maße bei Aufgaben, welche produzierender Natur sind und bei denen weitestgehend keine kognitive Arbeit oder kreative Lösungsfindung erforderlich ist. Die extrinsische Motivation steigt zwar, die Fähigkeit zur kreativen Problemlösung aber sinkt.
- Wir reduzieren mit quantitativen Bonussystemen die Fähigkeit kreativ zu denken, weil wir den Fokus verengen bzw. die funktionale Fixierung stärken. Extrinsische Motivation ist an dieser Stelle eine Methode zur Belohnung von Quantität. Wir sollten uns bewusst machen, ob dies zur Aufgabenstellung passt.
- Belohnungssysteme mit dem Fokus auf extrinsischer Motivation fokussieren Aufgabenstellungen, wie sie im 19. oder 20. Jahrhundert üblich waren. Wir sind allerdings mittlerweile im 21. Jahrhundert angelangt. Die Aufgabenstellungen in unserer Wissensgesellschaft haben sich mittlerweile weitestgehend verändert.
Also, was könnten wir tun? Wie erhalten wir die Motivation bei unseren Mitarbeitern, in unserer heutigen Arbeitswelt, die auf kognitive Leistungen ausgerichtet ist? Wie fördern wir die Fähigkeit unserer Teams zu kreativen Lösungsfindungen?
Wir könnten als Führungskräfte unsere bestehenden Modelle hinterfragen, wie wir denken Motivation zu erhalten oder zu erzeugen. Wir könnten uns hinterfragen und uns reflektieren, wie wir denken und agieren. Wir könnten als Führungskräfte daran arbeiten, unsere eigenen Fähigkeiten auf die aktuellen Anforderungen hin anzupassen und uns weiterzuentwickeln, persönlich und fachlich. Wir könnten als Führungskräfte entscheiden, wie wir auf Basis dessen, was die Wissenschaft bereits weiß, unsere Mitarbeiter zu mehr Kreativität unter Beibehaltung der intrinsischen Motivation führen.
Moderne Führungskräfte brauchen hierfür mehr als nur die Fähigkeit, Prozesse oder Mitarbeiterkapazitäten zu managen. Was Führungskräfte hierfür brauchen, ist die die Fähigkeit, die Balance zwischen extrinsischer und intrinsischer Motivation bei ihren Mitarbeitern herzustellen und aufrecht zu erhalten. Sie benötigen die Einstellung, die Förderung der Entwicklung ihrer Mitarbeiter als essenziellen Teil ihrer Führungsaufgabe anzusehen. Zusätzlich benötigen sie das Wissen, um Methoden, Zusammenhänge und die Handlungskompetenz dieses Wissens in die Arbeit mit ihren Mitarbeitern zielführend einfließen zu lassen.