Als Führungskraft in einer Organisation haben Sie die Aufgabe, gemeinsam mit Ihrem Team vereinbarte Ziele zu erreichen. Gleichzeitig liegt es in Ihrem Aufgabenbereich, die Ihnen unterstellten Mitarbeiter nicht nur zur Zielerreichung zu ‚führen‘, sondern auch noch für die Weiterentwicklung der Mitarbeiter zu sorgen und natürlich die Motivation in Ihrem Team auf einem hohem Niveau zu halten. Im Zuge der Gestaltung Ihres Arbeitstages und der Erledigung Ihrer Aufgaben sind Sie ständig gefordert, zwischen Dringendem und Wichtigem zu unterscheiden und die wichtigen Dinge zu tun bzw. die richtigen Entscheidungen zu treffen und zu vertreten. Ihre Führungsaufgabe umfasst also deutlich mehr als das reine managen von Prozessen, Kapazitäten und Ressourcen.
An dieser Stelle möchte ich einfach unterstellen, dass Sie als erfahrene Führungskraft die eigene Führungsverantwortung auch in den Bereichen Teamentwicklung und Erhaltung der Motivation Ihres Teams angenommen haben und diese Verantwortung in Ihrer Rolle auch bereit sind zu tragen. Wenn ja, würde ich mich freuen, wenn Sie aus den folgenden Inhalten die eine oder andere Anregung für Ihre Arbeit als Führungskraft mitnehmen. Eventuell ergibt sich sogar eine neue Perspektive, die Sie in der Arbeit mit Ihrem Team an der Erreichung der Abteilungs- oder Unternehmensziele zukünftig unterstützt. Eventuell werden Sie einen Eindruck davon mitnehmen können, wie Sie zukünftig Ihre Rolle als Führungskraft, für Ihre Mitarbeiter, aber auch für Sie persönlich, erfolgreich und sehr motivierend ausfüllen können.
Lassen Sie uns mit einer kurzen Reflektion einsteigen. Wie schätzen Sie persönlich die folgenden Fragen oder Aussagen ein? Nehmen Sie sich bitte kurz die Zeit, um darüber nachzudenken …
A. Das größte Potenzial zur Leistungssteigerung und Weiterentwicklung bei einem Mitarbeiter liegt dort, wo er Schwächen aufweist.
#Nein
#Ja
B. Welcher Faktor ist ausschlaggebend für den Unterschied hinsichtlich der langfristigen Erfolgssicherheit von Unternehmen?
# Die Finanzkraft
# Die Innovationsstärke
# Das Marketing
# Die Führung
Eine Studie der Gallup Organisation, die seit ca. 40 Jahren durchgeführt wird, liefert sehr interessante Einblicke in einige der Faktoren, welche sich auf den langfristigen Unternehmenserfolg auswirken. Einen dieser Faktoren wollen wir uns unter dem Aspekt Leadership & Führung genauer ansehen.
Es gibt Unternehmen, die sich hinsichtlich Kundenzufriedenheit, Produktivität, niedrigen Krankenständen sowie geringen Fluktuationsraten deutlich von anderen Unternehmen unterscheiden. So weit, so gut, das ist eine bekannte Tatsache. Wie jedoch lässt sich das beeinflussen? Während der Studie ließ die Beantwortung einer speziellen Frage klare Rückschlüsse auf die Einflussgrößen zu, die die oben genannten Faktoren in einem Unternehmen unterstützen. Im Durchschnitt lag die Beantwortung dieser Frage durch die Mitarbeiter eines Unternehmens mit ‚Ja‘ bei etwa 20 Prozent. Konnten jedoch über 40 Prozent der Mitarbeiter (meist waren es dann gleich 60 oder 80 Prozent) die Frage mit ‚Ja‘ beantworten, zeigten diese Unternehmen ein signifikant besseres Abschneiden in den oben genannten Punkten!
Die Frage an die Mitarbeiter lautet: ‚Können Sie jeden Tag das tun, was Sie am besten tun können?‘
Können Sie jeden Tag das tun, was Sie am besten tun können – was bedeutet das? Einerseits bedeutet es offensichtlich hohe Motivation, Zufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Effizienz. Andererseits bedeutet es indirekt, dass gelungene Führungsarbeit und Mitarbeiterorientierung einen ausschlaggebenden Einfluss auf den langfristigen Erfolg eines Unternehmens haben.
Kommen wir zum ersten Punkt zurück. Motivation, Zufriedenheit, Leistungsbereitschaft und Effizienz als Resultat aus dem talent- und fähigkeitenorientierten Einsatz von Mitarbeitern zu erwarten, ist nichts Neues. Warum liegt die Quote der ‚Ja‘-Antworten vieler Unternehmen auf die oben stehende Frage dann aber im Schnitt nur bei 20 Prozent? Sollten die genannten Punkte nicht für jedes Unternehmen im Fokus stehen? Insbesondere wenn es um einen nachhaltigen Unternehmenserfolg geht?
Eine der Ursachen für dieses Ergebnis liegt in der Führung der Mitarbeiter und der leider falschen Annahme, dass das höchste Entwicklungspotenzial eines Mitarbeiters im Bereich seiner Schwächen liegt. Anstelle Mitarbeiter gemäß ihrer individuellen Talente zu fördern, zu entwickeln und in die Team- und Arbeitsprozesse zu integrieren, führt diese Defizitorientierung in der Führungsarbeit dazu, dass oftmals versucht wird, schwerpunktmäßig im Bereich individueller Schwächen eine Entwicklung zu fördern. Wozu das denn bitte…?! Es gibt den alten Spruch ‚Man kann aus einer Drossel keinen Adler machen‘ – aber sowohl eine Drossel als auch ein Adler werden im Rahmen ihrer individuellen Talente und Potenziale durch Erfahrung und Training Meister ihres Faches. Warum versuchen wir es wider besseres Wissen immer und immer wieder bei unseren Mitarbeitern (siehe hierzu auch den Artikel zur ‚Tierschule‘ nach George H. Reavis)? Wenn lediglich die Defizite in Feedbacks einfließen und die Forderung nach Entwicklung sich hauptsächlich auf die Beseitigung von Schwächen bezieht, einem Mitarbeiter oder auch einer Führungskraft also kontinuierlich präsentiert wird, wo er Defizite hat und was er oder sie alles nicht kann, wo soll die so oft geforderte Motivation in diesen Fällen herkommen? Kennen Sie einen Adler, der für sich das Ziel und die Motivation hat zu singen wie eine Drossel?
Bitte verstehen Sie mich nicht falsch – gehört es beispielsweise zur Aufgabe eines Mitarbeiters, bestimmte Aufgaben in einer klar definierten Form sowie mit einer klaren Zielsetzung zu tun, und diese Fähigkeiten sind bei dem Mitarbeiter nicht vorhanden, gibt es in der Tat ein Problem und bezogen auf diese Anforderung eine klare Schwäche bei diesem Mitarbeiter. Die Frage ist jedoch: Wer trägt die Verantwortung für das Delegieren dieser Aufgabe und für die aus diesen fehlenden Kompetenzen resultierenden Konsequenzen? Im Rahmen der Aufgabenverteilung in Unternehmen kann dies in den unterschiedlichsten Arbeitsfeldern beobachtet werden. Beispielsweise wenn sehr inhaltlich oder aufgabenorientierte Mitarbeiter die Kundenberatung verantworten sollen, aber den direkten Kontakt mit Kunden scheuen, da die kommunikativen Fähigkeiten im Rahmen von Beratungsgesprächen oder Präsentationen nicht ausgereift sind. Oder aber der Fachspezialist, der aufgrund seiner sehr guten fachlichen Leistungen über die Jahre nun Führungsaufgaben übernehmen soll, jedoch im Umgang mit Mitarbeitern vor situativem Feedback, verschiedensten Formen der Mitarbeitergesprächen und der Auseinandersetzung mit teamdynamischen Prozessen Unsicherheiten zeigt. Dies sind nur ein paar der möglichen Beispiele, jedoch sind an diesen Stellen Konflikte und Unzufriedenheit bereits vorprogrammiert. Kennen Sie ähnliche Fälle aus Ihrem persönlichen Arbeitsumfeld?
In diesen Fällen kann natürlich über eine Schulung oder Weiterbildung versucht werden, die erforderlichen Fähigkeiten aufzubauen. Das funktioniert jedoch meist nicht über Nacht, und bis der Mitarbeiter die notwendige Handlungskompetent aufgebaut hat, erlebt er sicherlich einige stressige und womöglich sehr frustrierende Momente. Erwarten Sie in diesem Fall ein hohes Maß an intrinsischer Motivation bei Ihrem Mitarbeiter, sich diese Fähigkeiten anzueignen, obwohl es eventuell in keines seiner Interessensgebiete fällt? Wer trägt die Verantwortung für das Delegieren dieser Aufgabe und die Konsequenzen, die daraus resultieren, wenn sowohl der Mitarbeiter gestresst und frustriert als auch der Kunde unzufrieden mit der Zusammenarbeit ist?
Ein anderes Modell ist, dass bereits bei der Verteilung der Aufgaben berücksichtigt wird, dass die Auswahl des geeigneten Mitarbeiters nach den individuellen Fähigkeiten und Talenten zu treffen ist. Dies setzt die aktive Auseinandersetzung der Führungskraft mit den Kernkompetenzen und Talenten/Potenzialen des Mitarbeiters voraus. Beide Modelle sollten einer Führungskraft im Rahmen ihrer Führungsverantwortung und der damit verbundenen Delegation von Aufgaben bewusst sein. Erinnern Sie sich? ‚Können Sie jeden Tag das tun, was Sie am besten tun können?‘
Im Gegensatz zu dem Versuch, lediglich das Defizit zu korrigieren, gepaart mit dem Stress und ggf. der Überforderung bei diesem Mitarbeiter, besteht also auch die Möglichkeit, bereits im Vorfeld auf Potenziale und Fähigkeiten ausgerichtet zu entscheiden. Die Berücksichtigung und Nutzung von Kompetenzen in der Übertragung von Verantwortung und Aufgaben wirkt in diesem Fall weit motivierender auf die Entwicklung dieses Mitarbeiters ein. Die Effekte, die dieses potenzial- und kompetenzorientierte Führungsverhalten hat, lassen sich dann in den zu Beginn genannten Faktoren ablesen.
Dies setzt sowohl die Einstellung als auch das Wissen und die Fähigkeiten bei Führungskräften voraus, mitarbeiter-, ziel- und potenzialorientiert zu agieren. Diese Führungseinstellung und die dazugehörigen Fähigkeiten müssen aktiv aufgebaut und entwickelt werden.
Stress und Überforderung auf der einen Seite – Motivation und Verantwortungsgefühl auf der anderen Seite. Das ist der Unterschied zwischen Defizit- und Potenzialorientierung. Natürlich lassen sich beliebig kritische Fälle leicht konstruieren. Aber das passiert auch in kleinerem Rahmen und anderen Formen täglich in Unternehmen. Kennen Sie Beispiele aus Ihrer eigenen täglichen Arbeit? Wie würden Sie persönlich oder Ihr Team auf die diesem Artikel zugrundeliegende Frage antworten?
Wie sehen Ihre persönlichen Denk- und Verhaltensmuster hinsichtlich der Teamentwicklung und Potenzialorientierung aus? Wie reflektiert sind Sie im Bezug auf Ihre Einstellung sowie auf Denk- und Verhaltensmuster und welche Talente und Potenziale können Sie persönlich weiterentwickeln? Die Reflektion der eigenen Muster, die Klarheit hinsichtlich persönlicher Potenziale und der Aufbau zielführender Fähigkeiten und Kompetenzen in der Team- und Mitarbeiterentwicklung sind Elemente, die im Competence- und Leadership-Coaching aktiv reflektiert und weiterentwickelt werden.